Close the GAP?

OK, ich gestehe, der Titel ist mir heute etwas holprig geraten: im Englischen wäre es nämlich eigentlich CAP, gemeint ist nämlich die Common Agricultural Policy (dt. Gemeinsame Agrarpolitik alias GAP) der EU. Die hinter dem holprigen Wortspiel stehende Frage ist nichtsdestotrotz gewichtig: wird das reichliche Drittel des EU-Haushalts, das in das System von Agrarsubventionen fließt, denn sinnvoll verwendet? Und falls nicht, was folgt daraus?

Kritik an der GAP ist ein alter Hut; so schrieben beispielsweise die Grünen in ihr diesjähriges Bundestagswahlprogramm, sie wollten „auf eine Reform der EU-Agrarpolitik im Einklang mit der Natur drängen“. Außerdem dürfe „[d]ie europäische Agrarpolitik […] nicht mehr zulasten anderer gehen“ (die mitunter konträren Positionen von Grünen, FDP und CDU zu diesem Thema könnten bald für Probleme bei den Koalitionsverhandlungen sorgen). Damit wären die zwei sozusagen „klassischen“ Kritikpunkte schon einmal abgedeckt – zum einen fördere die GAP nicht-nachhaltige Landwirtschaft; zum anderen führe sie dazu, dass insbesondere Entwicklungsländer mit Lebensmittel-Überschüssen geflutet werden, deren Preise durch massive Subventionen verzerrt sind (dies betrifft übrigens nicht nur die EU, sondern de facto alle Länder des globalen Nordens). Dies ist auch nicht verwunderlich – historisch war Autarkie in Sachen Lebensmittelproduktion das Hauptziel der GAP. In der EU konsumierte Lebensmittel sollten nach Möglichkeit in der EU produziert werden; die EU-Landwirt*innen sollten vor den Gefahren der globalisierten Agrarmärkte geschützt werden. Ökologische Nachhaltigkeit war da zunächst schlicht und einfach irrelevant, es ging um Produktion. Und da zentralisierte Steuerung meistens nicht sehr präzise ist, entstanden systematische Überschüsse – die hierzulande schon sprichwörtlichen Butterberge und Milchseen –, die irgendwo „abgeladen“ werden mussten. Dass sie die lokalen landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten im globalen Süden vernichteten, gehörte in die Kategorie Kollateralschäden.

Irgendwann wurden die Butterberge und Milchseen jedoch zu einem auch hier wahrgenommenen Problem; und auch die negativen ökologischen Auswirkungen konventioneller Landwirtschaft machten sich zunehmend bemerkbar. Außerdem begünstigten produktionsbedingte Zahlungen vor allem große, effiziente Betriebe, während die Existenz kleiner, insb. Familienbetriebe zunehmend bedroht war. Also wurde die GAP mehrmals reformiert – zum einen sind die Subventionen inzwischen nicht mehr an die Produktionsmenge, sondern an die bewirtschaftete Fläche gebunden; zum anderen wurde diese sog. erste Säule (Direktzahlungen) durch die sog. zweite Säule ergänzt, die neben Maßnahmen zur Entwicklung ländlicher Räume (ELER) u. a. Agrarumweltmaßnahmen finanziert. Zudem wurden Direktzahlungen im Rahmen der sog. Cross-Compliance an Bedingungen geknüpft, die u. a. Minimalstandards des Umweltschutzes (Greening) beinhalten. Das Gros des GAP-Budgets fließt jedoch weiterhin in die Direktzahlungen.

In diesem Sinne ist die GAP primär ein Mittel der Sozialpolitik, sie dient der Redistribution. Vereinfacht funktioniert diese wie folgt: da die Direktzahlungen mitunter einen gehörigen Anteil des Einkommens von Landwirt*innen ausmachen,1 ist es für diese möglich, ihre Produkte zu vergleichsweise niedrigen Preisen zu verkaufen (was gerade in Deutschland Discounter freut und de facto ihre Marktmacht erhöht). Es sind Preise, die die Existenz der Landwirt*innen in Abwesenheit von Direktzahlungen ernsthaft bedrohen würden. Das bedeutet zwar, dass Lebensmittel für uns Konsumenten relativ günstig sind – doch den Preisunterschied zu dem hypothetischen Fall ohne Direktzahlungen und ohne Discounter-Marktmacht finanzieren wir auf anderen Wegen. Denn die GAP ist Teil des gemeinsamen EU-Haushalts, der wiederum einerseits durch Beiträge der Mitgliedsstaaten (also durch Steuern) sowie durch Umsatzsteuer-Einnahmen finanziert werden (ein fester Anteil der Mehrwertsteuer geht direkt an die EU).

Wer gewinnt dabei? Auf der einen Seite begünstigen niedrige Lebensmittelpreise auf jeden Fall die ärmeren Schichten der Bevölkerung – denn nach dem Engel’schen Gesetz (eines der wenigen ökonomischen „Gesetze“, deren empirische Gültigkeit recht unumstritten ist) steigt der Anteil der Ausgaben für Nahrung mit sinkendem Einkommen. Das bedeutet, dass höhere Lebensmittelpreise Geringverdiener tendenziell mehr treffen. Wäre das allerdings der Hauptgrund für die Erhaltung von Agrarsubventionen, stünde es um diese argumentativ recht schwach – denn das Problem ließe sich auch mit direkteren Sozialtransfers lösen, nicht mit solchen „um drei Ecken“. Eine andere Gruppe, die definitiv durch die Agrarsubventionen Vorteile genießt, sind wie bereits oben erwähnt die großen Nachfrager von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, d. h. Supermarkt- und Discounterketten. Sie haben sowieso eine enorme Marktmacht, denn ihre Beziehungen zu einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben gleichen einem Monopson (ein Nachfrager, viele Anbieter; das Spiegelbild des Monopols) – die Direktzahlungen ermöglichen ihnen, noch niedrigere Preise, die die Produktionskosten nicht widerspiegeln, zu fordern. Dies bedroht die Existenzgrundlage von Landwirt*innen nicht, zumindest solange die Direktzahlungen hoch genug sind, um den Unterschied zwischen Erzeugerpreisen und Erzeugerkosten auszugleichen. Diese „Ersparnisse“ werden vom Einzelhandel nur teilweise an Konsumenten weitergegeben, sodass man sagen kann, dass Supermarkt- und Discounterketten zumindest teilweise Profiteure der GAP sind.

Gleichwohl wird die GAP regelmäßig dafür kritisiert, dass sie trotz der Mittel, die innerhalb der zweiten Säule für Agrarumweltmaßnahmen verwendet werden, nicht dazu führt, dass der von der Landwirtschaft ausgehende Druck auf Ökosysteme signifikant gemindert wird. Dabei hat Landwirtschaft als sozial-ökologisches System eine besondere Stellung – wir können keineswegs auf sie verzichten, sie ist aber vermutlich die wichtigste Quelle von störenden Interferenzen zwischen sozialen und ökologischen Systemen. Auf der einen Seite emittiert die Landwirtschaft so viele Schadstoffe wie kaum ein anderer Sektor – Treibhausgase, Nährstoffe (v. a. Phosphor- und Stickstoffverbindungen), Pestizide; außerdem werden gerade im globalen Süden andauernd natürliche Ökosysteme in Agrarsysteme umgewandelt. Auf der anderen Seite ist kaum ein anderer Sektor so stark von Umwelteinflüssen betroffen – Extremwetterereignisse, Verwüstung, Veränderungen mittlerer Temperaturen, Erosion. Leider haben Landwirt*innen meist keine Anreize, diese Belastungen zu reduzieren – umweltschonende Landwirtschaft ist aufwendig, teuer und begünstigt die betreffenden Landwirt*innen nur bedingt direkt. Betriebswirtschaftliche Zwänge erlauben es häufig selbst „umweltbewussten“ Landwirt*innen kaum, ihre Flächen schonender zu bewirtschaften. Es handelt sich bei den Umweltbelastungen um Externalitäten – um diese in die Entscheidungen der Landwirt*innen zu internalisieren, bedarf es politischer Steuerung. Die GAP bietet Möglichkeiten solcher Steuerung: im Rahmen der Cross-Compliance sind Landwirt*innen, wenn sie Direktzahlungen empfangen wollen, zu bestimmten Mindestmaßnahmen verpflichtet; über die zweite Säule können freiwillige Agrarumweltmaßnahmen entlohnt werden. Leider genügen die derzeit genutzten Ansätze nicht. Die Mittel sind nicht ausreichend; des Weiteren bestehen kulturelle Probleme – soziologische Untersuchungen zeigen, dass Agrarumweltmaßnahmen nicht besonders populär sind, weil sie aus Sicht der Landwirt*innen nicht dazu beitragen, kulturelles/symbolisches Kapital aufzubauen. Um von seinen peers als gute*r Landwirt*in wahrgenommen zu werden, muss man gut mit seinen Maschinen umgehen können und seine Felder „ordentlich“ bewirtschaften, während Agrarumweltmaßnahmen meistens vor allem erfordern, auf einer bestimmten Fläche nichts zu tun. Wenn die Maßnahmen also nur halbherzig und nicht besonders gut finanziert sind, und kulturelle Barrieren hinzukommen, braucht man sich kaum zu wundern, dass die GAP nicht dazu führt, dass die Landwirtschaft in der EU weniger umweltschädlich wird.

Es stellt sich die Frage, wie es den Landwirt*innen mit den Direktzahlungen ergeht. Wie bereits oben erwähnt, profitieren sie nur insofern von ihnen, dass sie dem Marktdruck vor allem seitens großer Abnehmer landwirtschaftlicher Produkte besser standhalten und „überleben“ können. Die eigentlichen Profiteure sind ebendiese Abnehmer sowie die Konsumenten (die allerdings die GAP de facto selbst finanzieren). Wie fühlt es sich an, als Produzent zu 20% (EU) oder gar 50% (die Schweiz) von staatlichen Hilfen abhängig zu sein? Leider habe ich bisher keine empirischen Untersuchungen zu dieser Frage gefunden – es ist aber vorstellbar, dass eine so starke Abhängigkeit von Direktzahlungen am „Produktionsethos“ von Landwirt*innen kratzt. Es würde sich wohl besser anfühlen, vom Verkauf der eigenen Produkte, in deren Herstellung man so viel Arbeit hineinsteckt, zu leben. Solange allerdings a) die Konsumenten nicht willens sind, höhere (realistische) Lebensmittelpreise zu akzeptieren und b) die Großabnehmer eine solche Marktmacht haben, dass sie niedrige Erzeugerpreise erzwingen können, sind die Direktzahlungen für Landwirt*innen unverzichtbar.

Im Großen und Ganzen scheint es also, dass die Direktzahlungen für die meisten betroffenen eher ein Problem sind. Doch kann man die GAP einfach abschaffen oder zumindest radikal reformieren, indem man bspw. die erste Säule abschafft? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Eine radikale Reform ist definitiv unwahrscheinlich – zu groß die politischen und institutionellen Pfadabhängigkeiten, zu stark die Lobby-Interessen.2 Doch wenn man von dieser „politökonomischen“ Seite absieht – könnte es funktionieren? Neuseeland zeigt, dass es nicht völlig unmöglich ist.

Mitte der 1980er Jahre hatte Neuseeland ein Problem, das sich bei der GAP realistischerweise eher nicht stellen wird – der Staat konnte sich das umfangreiche, damals gerade einmal 10 Jahre alte System von Agrarsubventionen kaum noch leisten; gleichzeitig war die Überproduktion massiv. Also griff man zu einem radikalen Mittel und schuf Agrarsubventionen quasi über Nacht ab. Der Übergang war schmerzhaft – was nicht überrascht –, aber er ist gelungen. Die Preise stiegen, die Gewinnmargen der Landwirt*innen schrumpften, sie mussten ihre Tätigkeiten diversifizieren, bspw. indem sie in Ökotourismus investierten. Dennoch hielten sich Betriebsaufgaben in Grenzen. Neuseeland bietet seinen Landwirt*innen bis heute keine nennenswerte finanzielle Unterstützung, als einziges OECD-Land. Und seine Landwirtschaft gilt als enorm effizient und innovativ sowie vergleichsweise umweltfreundlich.

Der erste Gedanke bei einem kursorischen Vergleich zwischen Neuseeland und EU: wegen der Insellage dürfte Neuseelands Landwirtschaft wesentlich abgeschotteter sein, mit geringen Im- und Exporten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Klingt logisch, stimmt aber nicht so ganz: überraschenderweise machen landwirtschaftliche Produkte (v. a. Fleisch und Milchprodukte) etwa die Hälfte der Exporte des Landes aus; bei den Importen hingegen sind Agrarerzeugnisse kaum relevant (s. hier). Mit anderen Worten: Neuseeland ist weitgehend autark in Sachen Nahrungsmittelproduktion; bei tierischen Produkten ist es gar fähig, große Mengen zu exportieren. Dies ist in der Tat nur sehr bedingt auf die EU übertragbar. Erstens ist Letztere durch ihre günstigere geografische Lage viel stärker in internationale Märkte eingebunden; zweitens hat sie kaum das Potenzial zur Selbsternährung – während Neuseeland bei einer Bevölkerungsdichte von 17,5 Menschen pro qkm relativ viel Fläche für landwirtschaftliche Produktion verwenden kann, kommt die EU auf 116 Einwohner pro qkm; auch die natürliche Bodenqualität ist in Neuseeland sehr hoch. Insbesondere die relative Abgeschiedenheit bedeutet aber, dass neuseeländische Landwirt*innen trotz ausbleibender Agrarsubventionen dem internationalen Wettbewerb wohl weniger ausgeliefert sind, als es in der EU der Fall ist. Mit anderen Worten: ihnen fiel es leichter, nach der Abschaffung der Zahlungen mit höheren Preisen zu reagieren; europäische Landwirt*innen liefen viel eher Gefahr, ohne Direktzahlungen von Importgütern „ausgestochen“ zu werden.

Dies möchte man natürlich vermeiden. Nicht nur aus protektionistischen und politökonomischen Gründen, sondern auch des Umweltschutzes wegen. Die Umweltstandards in der EU-Landwirtschaft sind bereits jetzt relativ hoch, nicht zuletzt wegen der Cross-Compliance-Bedingungen innerhalb der GAP. Vor der eigenen Tür sind sie auch einfacher durchsetzbar – und genau hier liegt die Crux. In einer Welt, in der negative Umwelteffekte der Landwirtschaftsproduktion internalisiert wären, hätten wir wohl keine Probleme – denn sie steigen mit der steigenden Entfernung des Produktionsortes vom Ort des Konsums. In solch einer Pigou’schen Welt wären die Lebensmittelpreise zwar deutlich höher – sie würden aber primär den heimischen Landwirt*innen zugute kommen, deren Produkte nicht durch die halbe Welt und unter hohen Treibhausgasemissionen gekarrt werden müssen. Doch wir leben nicht in einer solchen Pigou’schen Welt – und gerade eine weltweite CO2-Steuer, obwohl sie schon lange intensiv diskutiert wird, ist nicht gerade im Kommen. Und die Internalisierung sonstiger, „lokaler“ Umweltexternalitäten setzt voraus, dass man ihre Generierung überwachen (Monitoring) und Umweltstandards durchsetzen kann. Das ist aber außerhalb der eigenen Grenzen schwierig – und wenn man es an den eigenen Grenzen versuchen würde (was auch nicht einfach wäre), bekäme man sehr schnell Probleme mit der Welthandelsorganisation WTO.

Zudem ist eine radikale Reform des Subventionssystems, wie Neuseeland sie 1984 vorgenommen hat, nicht unproblematisch. Der so plötzlich sehr stark erhöhte Effizienzdruck begünstigt große, spezialisierte Betriebe – eine Entwicklung, die durch die Direktzahlungen gerade verhindert werden soll. Vermutlich ließe sie sich durch gleichzeitig erhöhte Umweltauflagen zumindest teilweise abfangen (denn hier sind Großbetriebe eher im Nachteil). Doch sehr viele Fragen bleiben offen: was ist mit der Marktmacht der Großabnehmer? Wie groß ist tatsächlich die Bedrohung durch globale Märkte? Wie überzeugt man Landwirt*innen, dass Agrarumweltmaßnahmen zum Ethos des „guten Bauern“ dazugehören? Wie werden sie zu Produzenten nicht nur von Lebensmitteln, sondern auch von vielen anderen Ökosystemdienstleistungen? Was wären die Verteilungswirkungen einer solchen radikalen Reform, sowohl auf der Erzeuger- als auch Konsumentenseite? All diese Fragen haben große Relevanz für die Sinnhaftigkeit einer radikalen GAP-Reform. Dass es einer solchen bedarf, scheint allerdings relativ einleuchtend.

Fußnoten

    1. Die EU ist hierbei mitnichten der „Vorreiter“ – während der EU-Durchschnitt bei ca. 20% des Betriebseinkommens liegt, machen Agrarsubventionen in der Schweiz oder in Norwegen mehr als 50% aus. Siehe hier.
    2. Dies legt übrigens den Schluss nahe, dass schrittweise Reformen nicht unbedingt zielführend sind – diese haben nämlich oft die Tendenz, den Status quo zu verfestigen, weil man allzu häufig nach 1–2 Schritten auf Druck der Verlierer der Reform doch eine Rückwärtsrolle macht.

6 Gedanken zu “Close the GAP?

  1. danke für den informativen Beitrag. Dass die GAP v.a. sozialpolitischen Gründen geschuldet ist, bliebe allerdings noch zu belegen. In den offiziellen Dokumenten steht das „Autarkie-Motiv“ nach wie vor an erster Stelle: https://ec.europa.eu/agriculture/sites/agriculture/files/cap-post-2013/reports/why_en.pdf.
    Auch die These, dass die EU sich nicht selbst versorgen könnte, überzeugt mich nicht völlig. Immerhin exportiert die EU ja endlos viele Lebensmittel. Solange man Phosphor-Quellen anzapfen kann, müsste hier wohl keiner verhungern wenn’s hart auf hart kommt (außer jemand ist gegen alles allergisch mit der Ausnahme von Avocados)..

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    • Was Autarkie hier nun genau bedeutet, ist wohl Interpretationssache; z. B. folgendes Zitat aus dem von dir verlinkten Dokument:

      European farmers face the challenge of providing food in a more and more open market. They are expected to produce at competitive prices and, at the same time, to respond to
      societal expectations concerning high product quality, high levels of food safety, animal welfare, and environmentally sound farming practices. Thus, the functioning of an economically sustainable agricultural sector in Europe depends, among others, on developing the farmers‘ capacity for adapting to new market situations and responding to new economic and technological opportunities.

      Das könnte man auch entsprechend meiner sozialpolitischen Interpretation lesen. Ich denke, die Ziele sind eng miteinander verwoben. Außerdem ist das dritte in dem Dokument genannte Ziel „viable rural areas“, was auch in die Richtung der Erhaltung von Kleinbetrieben geht. Und das ist, was ich mit „sozialpolitisch“ meine. Ich will nicht behaupten, dass die EU sagt, sie betriebe da Sozialpolitik, sondern vielmehr darum, dass die GAP effektiv eine starke sozialpolitische Funktion erfüllt.

      Ob sich die EU selbst versorgen könnte, hängt stark davon ab, welche Art von Landwirtschaft sie betreibt. Mit konventioneller Landwirtschaft wäre das wohl tatsächlich möglich, man fragt sich allerdings: für wie lange? (Nachhaltigkeit) Wenn man von der Produktivität der vermeintlich nachhaltigen Biolandwirtschaft ausgeht, wird es mit der Selbstversorgung schon sehr eng. Und wenn hinzu nimmt, dass wir mittelfristig fossile Ressourcen (sowohl Brennstoffe als auch Grundstoffe für Materialherstellung, Stichwort Bioökonomie) durch pflanzliche ersetzen werden, steigt der Druck auf die Fläche noch zusätzlich. Daher bin ich bezüglich der Selbstversorgung eher skeptisch. Und letztlich ging es vor allem um den Vergleich – mit seinen vulkanischen Böden und der um eine Größenordnung geringeren Bevölkerungsdichte hat Neuseeland da definitiv mehr Potenzial.

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  2. Danke für den lesenswerten Beitrag. Informativ und gut zu lesen. Und das Thema beschäftigt mich natürlich auch. Gut finde ich, dass du sowohl die Bedeutung günstiger Lebensmittel für Leute mit kleinem Einkommen als auch das „Ethos“ der Landwirtinnen, berücksichtigt hast.

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  3. Hat dies auf BioKultur rebloggt und kommentierte:
    An dieser Stelle möchte ich einen sehr interessanten und spannend zu lesenden Beitrag von Bartosz zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der europäischen Union teilen. Die GAP verteilt ein sehr großes finanzielles Budget in der EU und hat dadurch einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft wiederum ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen menschlicher Gesellschaft und natürlichen Ressourcen sowie biologischer Vielfalt. Bartosz geht unter anderem darauf ein, wie Landwirte, Lebensmittelhandel und Konsumenten von den GAP-Finanzmitteln profitieren.

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  4. Sehr guter Ritt durch das Thema gemeinsame Agrarpolitik. Allerdings habe ich Zweifel, dass man eine autarke landwirtschaftliche Produktion rechtfertigen kann. Und sie leitet sich auch nicht aus den GAP-Zielen ab. Die EU hat über viele Jahre ihre Märkte geschützt und das hat eigentlich niemandem geholfen. Der Fall Neuseeland ist sehr spannend, aber kaum übertragbar. Die Produktionsbedingungen für Milch und Fleisch sind so vorteilhaft auf der Insel, dass diese radikale Reform in den 1980er Jahren gelingen konnte. Das lässt sich nicht direkt auf die EU übertragen.

    Wichtig erscheint mir eher, dass die EU-Kommission sich 1) mal zu den Zielen der GAP-Direktzahlungen neu positioniert. Was sind deren Ziele und wie sollen die umgesetzt werden. 2) Grundsätzlich wäre eine Fokussierung auf öffentliche Güter aus meiner Sicht die einzige Schlüssige Begründung für eine europäische Agrarpolitik – sieht man mal von Transformationshilfen für Osteuropa ab, die es wohl noch einige Jahre geben muss. Aber wenn man diese Zwei Kriterien an die aktuelle GAP anlegt, dann ist das schon lausig! Und die Aussichten für die GAP 2020 sind nicht eben gut. Mit Großbritannien ist eine Reformkraft weg und die Kommission will ambitionierte Reformen am liebsten vermeiden, weil das angesichts der fehlenden Mittel aus UK ein weiteres Faß öffnen würde. Insofern lohnt der Blick nach vorne.

    Trotzdem ein spannender Text, vielen Dank!

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    • Deiner Forderung nach „Umwidmung“ der Zahlungen als Entlohnung für öffentliche Güter kann ich mich nur anschließen. Das würde vielleicht auch helfen, die von mir hypothetisierte Problematik zu beheben, dass Landwirte wahrscheinlich nicht davon begeistert sind, einen Großteil ihres Einkommens aus von jeglicher Produktion entkoppelten Direktzahlungen zu beziehen (d. h., de facto, aus Sozialtransfers). Interessanterweise ist mir immer noch keine soziologische o. ä. Studie untergekommen, die meine Hypothese (die mir relativ naheliegend erscheint) testen würde – wie stehen individuelle Landwirte denn wirklich zu Direktzahlungen?

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